Systemverwaltungshandbuch: IP Services

Einführung in die TCP/IP-Protokollfamilie

Dieser Abschnitt enthält eine umfassende Einführung in die in TCP/IP enthaltenen Protokolle. Obwohl diese Informationen nur als Hintergrundwissen dienen, sollten Sie die Namen der Protokolle kennen. Darüber hinaus sollten Sie wissen, was jedes einzelne Protokoll zu leisten hat.

„TCP/IP“ ist ein Akronym, das häufig für den Satz der Netzwerkprotokolle verwendet wird, aus denen sich die Internet Protocol-Familie zusammensetzt. Vielfach wird der Begriff „Internet“ verwendet, um sowohl die Protokollfamilie als auch das globale WAN-Netzwerk zu beschreiben. In diesem Buch bezieht sich „TCP/IP“ ausschließlich auf die Internet Protocol-Familie. „Internet“ bezieht sich auf das Weitverkehrsnetz (WAN) und die Einrichtungen, die das Internet überwachen.

Um Ihr TCP/IP-Netzwerk mit anderen Netzwerken zu vernetzen, müssen Sie eine einmalige IP-Adresse für Ihr Netzwerk beziehen. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Publikation beziehen Sie diese Adresse von einem Internet Service Provider (ISP).

Wenn Hosts in Ihrem Netzwerk am Internet Domain-Namen-System (DNS) teilnehmen sollen, müssen Sie einen einmaligen Domänennamen beziehen und registrieren. Die Registrierung der Domänennamen wird von InterNIC über eine Gruppe von weltweiten Datenbanken koordiniert. Weitere Informationen zum DNS finden Sie im System Administration Guide: Naming and Directory Services (DNS, NIS, and LDAP) .

Protokollschichten und das Open Systems Interconnection-Modell

Die meisten Netzwerk-Protokollfamilien sind in mehreren Schichten unterteilt, die in ihrer Gesamtheit auch als Protokollstapel bezeichnet werden. Jede Schicht dient einem bestimmten Zweck. Jede Schicht ist sowohl auf dem sendenden als auch auf dem empfangenden System vorhanden. Eine bestimmte Schicht eines Systems sendet bzw. empfängt genau das gleiche Objekt, das der Peer-Prozess eines anderen Systems gesendet bzw. empfangen hat. Diese Aktivitäten treten unabhängig von anderen Aktivitäten in den Schichten über bzw. unter der betrachteten Schicht auf. Grundsätzlich agiert jede Schicht eines Systems unabhängig von den anderen Schichten auf dem gleichen System. Jede Schicht agiert parallel mit der gleichen Schicht auf anderen Systemen.

OSI-Referenzmodell

Die meisten Netzwerk-Protokollfamilien sind in Schichten aufgebaut. Die International Organization for Standardization (ISO) hat das Open Systems Interconnection (OSI)-Referenzmodell entworfen, in dem strukturierte Schichten verwendet werden. Das OSI-Modell beschreibt eine Struktur von sieben Schichten für Netzwerkaktivitäten. Jeder Schicht ist mindestens ein Protokoll zugeordnet. Die Schichten stellen die Datenübertragungsvorgänge dar, die allen Datenübertragungsarten zwischen kooperierenden Netzwerken gemein sind.

Das OSI-Modell führt die Protokollschichten von der obersten (Schicht 7) zur untersten (Schicht 1) auf. Dieses Modell wird in der folgenden Tabelle gezeigt.

Tabelle 1–1 OSI-Referenzmodell

Schichtnr. 

Name 

Beschreibung 

Anwendung

Umfasst die standardmäßigen Kommunikationsservices und Anwendungen, mit denen der Benutzer arbeitet. 

Darstellung

Stellt sicher, dass Informationen so an das empfangende System geliefert werden, dass sie vom System verstanden werden. 

Sitzung

Verwaltet die Verbindungen und Abschlüsse zwischen kooperierenden Systemen. 

Transport

Verwaltet die Datenübertragung. Stellt darüber hinaus sicher, dass die empfangenen Daten mit den gesendeten Daten übereinstimmen. 

Vermittlung

Verwaltet die Datenadressierung und die Übermittlung zwischen Netzwerken. 

Sicherung

Verarbeitet die Übertragung der Daten über die Netzwerkmedien. 

Bitübertragung

Definiert die Eigenschaften der Netzwerkhardware. 

Das OSI-Modell definiert konzeptuelle Vorgänge, die nicht an eine bestimmte Netzwerkprotokollfamilie gebunden sind. Beispielsweise implementiert die OSI-Netzwerk-Protokollfamilie alle sieben Schichten des OSI-Modells. TCP/IP verwendet ebenfalls einige Schichten des OSI-Modells, und fasst andere Schichten zusammen. Andere Netzwerkprotokolle, z. B. SNA, verwenden eine zusätzliche achte Schicht.

Modell der TCP/IP-Protokollarchitektur

Das OSI-Modell beschreibt idealisierte Netzwerkverbindungen mit einer Protokollfamilie. TCP/IP entspricht in diesem Modell nur zum Teil. Es verbindet z. B. mehrere OSI-Schichten zu einer Schicht oder verwendet andere Schichten gar nicht. In der folgenden Tabelle sind die Schichten der Implementierung von TCP/IP in Oracle Solaris aufgeführt. In der folgenden Tabelle sind die Schichten von der obersten Schicht (Anwendung) zur untersten Schicht (Bitübertragung) aufgeführt.

Tabelle 1–2 TCP/IP-Protokollstapel

OSI Ref. Schichtnr. 

Entsprechende OSI-Schicht 

TCP/IP-Schicht 

TCP/IP-Protokollbeispiele 

5,6,7 

Anwendung, Sitzung, Darstellung 

Anwendung

NFS, NIS, DNS, LDAP, telnet, ftp, rlogin, rsh, rcp, RIP, RDISC, SNMP und andere

Transport  

Transport

TCP, UDP, SCTP 

Vermittlung 

Internet

IPv4, IPv6, ARP, ICMP 

Sicherung 

Sicherung

PPP, IEEE 802.2 

Bitübertragung 

Bitübertragung

Ethernet (IEEE 802.3), Token Ring, RS-232, FDDI und andere  

Die Tabelle zeigt die TCP/IP-Protokollschichten und deren Entsprechungen im OSI-Modell. Darüber hinaus sind Beispiele der Protokolle aufgeführt, die auf jeder Schicht im TCP/IP-Protokollstapel verfügbar sind. Jedes an einem Datenaustausch beteiligte System führt eine einmalige Implementierung des Protokollstapels aus.

Bitübertragungsschicht

Die Bitübertragungsschicht legt die Eigenschaften der für das Netzwerk verwendeten Hardware fest. Beispielsweise bestimmt die Bitübertragungsschicht die physikalischen Eigenschaften der Kommunikationsmedien. Die Bitübertragungsschicht im TCP/IP-Protokoll beschreibt Hardwarestandards wie IEEE 802.3, die Spezifikationen der Ethernet-Netzwerkmedien und RS-232, die Spezifikationen für standardmäßige Pin-Stecker.

Sicherungsschicht

Die Sicherungsschicht identifiziert den Netzwerkprotokolltyp des Pakets, in diesem Fall TCP/IP. Darüber hinaus bietet die Sicherungsschicht eine Fehlerkontrolle und Daten-Framing. Beispiele für Protokolle in der Sicherungsschicht sind Ethernet IEEE 802.2 Framing und Point-to-Point Protocol (PPP)-Framing.

Vermittlungsschicht

Die Vermittlungsschicht, die auch als Internetschicht oder IP-Schicht bezeichnet wird, akzeptiert Pakete und gibt sie an das Netzwerk weiter. Diese Schicht umfasst das mächtige Internet Protocol (IP), das Address Resolution Protocol (ARP) und das Internet Control Message Protocol (ICMP).

IP-Protokoll

Das IP-Protokoll und die dazugehörigen Routing-Protokolle sind wahrscheinlich die wichtigsten Protokolle der gesamten TCP/IP-Protokollfamilie. Das IP-Protokoll ist für Folgendes verantwortlich:

Oracle Solaris unterstützt die Adressierungsformate IPv4 und IPv6, die beide in diesem Handbuch beschrieben werden. Um Missverständnissen vorzubeugen, wird eine der folgenden Konventionen bei der Bezeichnung der Internet Protocol-Versionen verwendet:

ARP-Protokoll

Das Address Resolution Protocol (ARP) befindet sich zwischen der Sicherungs- und der Vermittlungsschicht. ARP unterstützt das IP-Protokoll dabei, Datagramme an das richtige empfangende System zu leiten, indem es Ethernet-Adressen (mit einer Länge von 48 Bit) zu bekannten IP-Adressen (mit einer Länge von 32 Bit) zuordnet.

ICMP-Protokoll

Das Internet Control Message Protocol (ICMP) erkennt und meldet Fehlerzustände im Netzwerk. ICMP meldet Folgendes:

Kapitel 8Verwaltung eines TCP/IP-Netzwerks (Aufgaben) enthält weitere Informationen zu den Oracle Solaris-Befehlen, die das ICMP-Protokoll zur Fehlererkennung verwenden.

Transportschicht

Die Transportschicht im TCP/IP-Protokoll stellt sicher, dass Pakete nacheinander und fehlerfrei eintreffen, indem es Bestätigungen für den Datenempfang sendet und verlorene Pakete erneut überträgt. Diese Kommunikationsart wird als durchgehende (End-to-End) Kommunikation bezeichnet. Transportschichtprotokolle auf dieser Stufe sind Transmission Control Protocol (TCP), User Datagram Protocol (UDP) und Stream Control Transmission Protocol (SCTP). TCP und SCTP stellen zuverlässige End-to-End-Services bereit. UDP stellt unzuverlässigen Datagramm-Service bereit.

TCP-Protokoll

TCP sorgt dafür, dass Anwendungen so miteinander kommunizieren können, als wären sie über einen Schaltkreis fest miteinander verbunden. TCP sendet Daten zeichenweise anstatt in diskreten Paketen. Die Übertragung setzt sich aus Folgendem zusammen:

TCP fügt den übertragenen Daten einen Header hinzu. Dieser Header enthält zahlreiche Parameter, die Prozesse auf dem sendenden System dabei unterstützen, die Verbindung mit den Peer-Prozessen auf dem empfangenden System herzustellen.

TCP bestätigt, dass ein Paket sein Ziel erreicht hat, indem es eine End-to-End-Verbindung zwischen dem sendenden und dem empfangenden Host herstellt. Daher wird TCP als ein „zuverlässiges, verbindungsorientiertes“ Protokoll bezeichnet.

SCTP-Protokoll

SCTP ist ein zuverlässiges, verbindungsorientiertes Transportschichtprotokoll, das Anwendungen die gleichen Services wie das TCP-Protokoll bereitstellt. Darüber hinaus kann das SCTP-Protokoll auch Verbindungen zwischen Systemen unterstützen, die über mehrere Adressen verfügen (Multihomed Systeme). Die SCTP-Verbindung zwischen dem sendenden und dem empfangenden System wird als Assoziation bezeichnet. Daten in der Assoziation sind in Datenblöcke aufgeteilt. Da das SCTP-Protokoll multihoming unterstützt, müssen bestimmte Anwendungen (insbesondere Anwendungen für die Telekommunikationsindustrie) über SCTP anstatt TCP ausgeführt werden.

UDP-Protokoll

UDP bietet einen Zustellungsservice für Datagramme. UDP überprüft keine Verbindungen zwischen sendenden und empfangenden Hosts. Da UDP keine Prozesse zum Herstellen und Überprüfen von Verbindungen ausführt, verwenden Anwendungen, die nur geringe Datenmengen senden, das UDP-Protokoll.

Anwendungsschicht

Die Anwendungsschicht definiert standardmäßige Internetservices und Netzwerkanwendungen, die jeder verwenden kann. Diese Services arbeiten zum Senden und Empfangen von Daten mit der Transportschicht zusammen. Auf der Anwendungsschicht existieren verschiedene Protokolle. Die folgende Liste zeigt Beispiele für Protokolle der Anwendungsschicht:

Standardmäßige TCP/IP-Services

UNIX „r“-Befehle

Mit den UNIX „r“-Befehlen können Benutzer Befehle an ihren lokalen Computern eingeben, die auf dem Remote-Host ausgeführt werden. Dazu gehören die folgenden Befehle:

Hinweise zur Verwendung dieser Befehle finden Sie in den Manpages rcp(1), rlogin(1) und rsh(1).

Namen-Services

Oracle Solaris bietet die folgenden Namen-Services:

Verzeichnisservice

Oracle Solaris unterstützt das LDAP (Lightweight Directory Access Protocol) zusammen mit dem Sun Open Net Environment (Sun ONE) Directory Server sowie andere LDAP Directory Server. Der Unterschied zwischen einem Namen-Service und einem Verzeichnisservice liegt im Funktionsumfang. Ein Verzeichnisservice bietet den gleichen Funktionsumfang wie ein Namen-Service und verfügt darüber hinaus über erweiterte Funktionen. Lesen Sie dazu System Administration Guide: Naming and Directory Services (DNS, NIS, and LDAP) .

Dateiservices

Das NFS-Anwendungsschichtprotokoll bietet Dateiservices für Oracle Solaris. Ausführliche Informationen zum NFS-Service finden Sie im System Administration Guide: Network Services .

Netzwerkverwaltung

Mit dem Simple Network Management Protocol (SNMP) können Sie das Layout Ihres Netzwerks und den Status der wichtigsten Computer anzeigen. Darüber hinaus können Sie mit SNMP komplexe Netzwerkstatistiken über Programme beziehen, die auf einer grafischen Benutzeroberfläche (GUI) basieren. Viele Unternehmen bieten Programmpakete zur Netzwerkverwaltung, die das SNMP umsetzen.

Routing-Protokolle

Das Routing Information Protocol (RIP) und das Router Discovery Server Protocol (RDISC) sind zwei verfügbare Routing-Protokolle für TCP/IP-Netzwerke. Eine vollständige Liste der verfügbaren Routing-Protokolle für Oracle Solaris 10 finden Sie in Tabelle 5–1 und Tabelle 5–2.